Handelsblatt: Wie VisionAI Amazons Monopol beenden will
Düsseldorf. Im Onlinehandel führt kein Weg an Amazon vorbei. Das US-Unternehmen ist einerseits mit einem Umsatz von mehr als 500 Milliarden Dollar mit Abstand Marktführer. Gleichzeitig sind von Amazon entwickelte Softwarelösungen für viele kleine und mittelständische Betriebe oft die einzige Möglichkeit, einen konkurrenzfähigen Onlineshop anbieten zu können.
Vor allem Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind gefragt, die das Kundenverhalten besser verstehen helfen und etwa Kaufempfehlungen deutlich optimieren. Das Bielefelder Start-up VisionAI will hier vor allem dem Mittelstand eine unabhängige Alternative zu den Baukastenlösungen der großen Händler wie Amazon und Alibaba bieten.
„Wir wollen KI-Technologien einsetzen, um Amazons Monopol zu stoppen“, lautet die selbstformulierte Mission des Jungunternehmens. Und das kommt an: Innerhalb der ersten 15 Geschäftsmonate konnte VisionAI einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro erzielen und weltweit bereits 120 Kunden wie New Balance, Zurbrüggen oder Intersport gewinnen.
Sie alle wollen die eigenen Vertriebskanäle ausbauen, ohne gleichzeitig die großen Handelsplattformen weiter zu stärken.
Melvin Schwarz, Co-Gründer von VisionAI, sagt: „95 Prozent der Onlinehändler sind technologisch von den Riesen der Branche abgehängt worden – wir geben ihnen die Technologie, um aufzuholen.“ Für den Erfolg des Handels ist es aus Sicht des Gründers entscheidend, dass eine breite Basis von Unternehmen Zugang zu KI-Technologien erhält. Schwarz und seine Co-Gründer Julian Meyer, Sinan Kuscu, Riza Velioglu und Berkan Cinar wollen das ermöglichen.
Ohne KI hätten mittelständische Unternehmen nicht ausreichend Ressourcen, um Tausende Produktdaten zu sammeln und auszuwerten. Das sei im E-Commerce jedoch ein entscheidender Vorteil, dass die richtige Person den richtigen Artikel finde, sagt Schwarz. Durch KI sei es in diesem Bereich jetzt fast egal, ob ein Händler 15 oder tausend Mitarbeitende hat.
Das Bielefelder Gründerteam wollte anfangs gar keine Technologieplattform entwickeln. „Recommendy haben wir 2021 als Onlineshop gegründet“, erklärt Schwarz. Die App sollte es den Kunden ermöglichen, mithilfe von Produktfotos zu erfahren, wer der Hersteller ist und wo das Produkt zu kaufen ist. Doch die Firmen, denen Schwarz die App vorstellte, waren nicht an dem Shop interessiert, sondern an den technologischen Lösungen dahinter.
2022 konnten die Gründer rund ein Dutzend namhafter Business Angels wie Blinkist-Gründer Niklas Jansen, Christian Reber, Gründungspartner des Wagniskapitalgebers Interface Capital und OMR-Gründer Philipp Westermeyer von ihren Technologien überzeugen.
Heute bietet VisionAi Zusatzprogramme, sogenannte Plug-ins, für Onlineshops an. „Wir bieten einen Werkzeugkoffer voller Technologien und KI-Lösungen an“, formuliert es der Gründer.
Die Produktpalette reicht von personalisierten Shop-the-Look-Anwendungen, bei denen die KI das Produkt im Warenkorb erkennt und ein passendes Outfit kreiert, über Cross-Selling-Lösungen (Kunden, die dieses Produkt kauften, kauften auch ...), bis hin zu KI-basierten Suchen.
Im Gegensatz zu anderen Anbietern filtert VisionAI die Produkte nicht anhand der Beschreibungen, sondern wertet Bilder mithilfe von maschinellem Sehen (Computer Vision) direkt aus. Schwarze Schnürschuhe etwa gibt es in etlichen Varianten, die sich textlich kaum so erfassen lassen, dass sie zweifelsfrei zu identifizieren sind. Die KI „erhöht die Genauigkeit unserer Suchen erheblich.“